Matthäus 26, 17-30 - Gründonnerstag
„Gestern waren die zwölf Apostel bei mir zu Gast.
Ich tischte alles auf
Was der Kühlschrank hergab.
Sie müssen von weit her gekommen sein
Sie waren hungrig
Und durstig und auf ihren Mänteln
Klebte dicker Staub
Ich wollte wissen
Wer unter ihnen Johannes sei
Und wer Judas
Sie sagten sie übten noch
Die Rollen werden erst
Kurz vor Ostern festgelegt.“ (Horst Bienek, Wer antwortete wem? München 1991)
Es ist Abend geworden, draußen wird es dunkel.
Der Tisch ist in warmes Kerzenlicht getaucht. Blumenschmuck macht die Tafel festlich.
Das Brot ist frisch uns knusprig, der Wein kühl und prickelnd.
Der Essen duftet paradiesisch, das Fleisch zergeht himmlisch auf der Zunge.
Leise Gespräch. Weiche bequeme Kissen.
Freundschaft und Gelächter.
Bilder aus einer anderen Zeit.
Und doch sitzen wir mit am Tisch.
Zusammen mit den zwölfen.
Mit Petrus, dem Übereifrigen, der immer erst redet - und dann denkt. Der gerne große Worte macht - und doch kleinlaut wird.
Mit Johannes, dem sanften. Der immer da ist - bis zum bitteren Ende. Der wach bleiben möchte und doch zu müde ist. Der beten will und dem doch die Worte fehlen.
Mit Thomas, der das Wichtigste gerne mal verpasst. Der immer zu spät kommt. Dem die anderen immer einen Schritt voraus sind. Der alles hinterfragt, was er sieht - und gerade darum seine Finger in die Wunden der Welt legen darf.
Mit Judas, der verzweifelt ist. Enttäuscht, verbittert. Der hadert mit sich und der Welt. Der den anderen gerne mal seinen Weg aufzwingt - und sich dann doch verirrt.
Mit ihnen allen sitzen wir am Tisch.
Doch wer ist wer? Wir müssen noch üben, einander zu erkennen.
Es könnte alles so schön sein. Leicht und festlich.
Aber dann kommt die Frage - die eine. Verräterisch. Bleischwer.
Bin ich‘s?
Die Unschuld des Festes ist dahin.
Wir sind im Fragemodus.
Gegenüber einer Welt, die ihre Sicherheit verloren hat.
Behauptungen haben ausgedient.
Sie machen das Leben leichter - schaffen Fakten, wenn sie nur laut genug vorgebracht werden.
Wer behauptet, stellt keine Fragen mehr.
Heute aber steht die Frage im Raum - kreuz und quer steht sie da und lässt sich nicht weg-behaupten.
Bin ich’s, der Verräter?
Er nennt keinen Namen.
Die Rolle ist noch nicht festgelegt.
Jeder kann es sein.
Der Freund im Übereifer.
Der Liebhaber im Zweifel.
Der Zweifler in Verbitterung.
Die Rolle ist noch nicht festgelegt.
Jesus nennt keinen Namen.
Der Verräter entschließt sich zum Verrat. Er benennt sich selbst.
Er hatte die Wahl - und hat sich entschieden.
Ich bin’s!
Wir haben die Wahl - jeden Tag.
Stellen Fragen, suchen nach Antworten.
Müssen uns entscheiden - ob wir folgen in Jesu Spuren oder eigene Wege gehen.
Ob wir reden gegen Unrecht - oder schweigend mitmachen.
Ob wir verzichten aus Liebe - oder großmäulig an uns raffen.
Wir haben die Wahl - uns in Frage zu stellen oder Antworten zu behaupten.
Wir haben die Wahl - ob wir Judas sein wollen oder Petrus oder Thomas.
Ob wir bleiben - oder gehen.
Wir haben die Wahl.
Doch wenn wir sie getroffen haben - dann trifft Jesus seine Wahl.
Und setzt sich mit uns an den Tisch.
Teilt Brot und Wein.
Du bist es, den ich rette.
Du bist es, für den ich sterbe.
Du bist meine Wahl - ob du Judas bist oder Petrus oder Thomas.
Auch wenn du gehst - ich bleibe.
Seine Wahl ist meine Rettung.
Meine Hoffnung.
Mein Leben.
Amen.