2. Adventssonntag - 12.12.2021

Predigt zu 1 Kor 4, 1-5

 

 

Zur Zeit bekomme ich viel Post. Viel vom Üblichen - Rechnungen, Werbungen, die eine oder andere Mahnung. Aber auch schöne Post. Adventsbriefe und Weihnachtspost. Kleine Nikolausgeschenke oder selbstgebackene Plätzchengrüße - und manchmal auch begleitet von einem kleinen Kartengruß.

Einiges ist in Päckchenform und bewahrt sein Geheimnis noch bis Weihnachten - anderes kommt von Aschaffenburg und hat groß das bedrohliche Wort „Haushaltsplan“ schon auf dem Umschlag stehen.

Manches ist für mich, anderes für meine Familie.

Ich lese, ordne und sortiere - bearbeite das eine, verwahre das andere für das Fest. Ich bin Haushalter der Finanzen und Geheimniswahrer der vielen kleinen und großen Geschenke.

 

 Dafür halte uns jedermann: für Diener Christi und Haushalter über Gottes Geheimnisse.

2 Nun fordert man nicht mehr von den Haushaltern, als dass sie für treu befunden werden.

3 Mir aber ist's ein Geringes, dass ich von euch gerichtet werde oder von einem menschlichen Gericht; auch richte ich mich selbst nicht. 4 Ich bin mir zwar keiner Schuld bewusst, aber darin bin ich nicht gerechtfertigt; der Herr ist's aber, der mich richtet.

5 Darum richtet nicht vor der Zeit, bis der Herr kommt, der auch ans Licht bringen wird, was im Finstern verborgen ist, und das Trachten der Herzen offenbar machen wird. Dann wird auch einem jeden von Gott Lob zuteilwerden.

 

So schreibt es Paulus in seinem Brief an die Korinther - eine ganz eigene Art von Weihnachtspost für uns alle.

Verwalter der Geheimnisse Christi - Gottes Haushalter - das sind wir. Oder sollen es sein.

 

Dabei ist haushalten als Wort und als Beruf schon so ein bisschen aus der Mode gekommen:

Meine Großeltern hatten noch eine Haushälterin.

Und immer, wenn ich an sie denke, dann denke ich: Apfelpfannkuchen und Erdbeerpudding. Das hat sie für mich gemacht - immer dann, wenn ich das Mittagessen, das es eigentlich gab, nicht mochte.

Sie hat gesorgt, gekocht, gebacken und zusammengehalten. Vor ihr gab es keine Geheimnisse.

 

Am Donnerstag ging es um einen Haushalt anderer Art - den unserer Kirchengemeinde. Haushaltssitzung des Kirchenvorstandes. Der Haushaltsplan ist ein einziges großes Geheimnis, zumindest für mich. Aber es muss gelüftet werden, damit wir haushalten können. Das, was wir haben, gut verwalten können. Es war eine öffentliche Sitzung; Geheimnisse gibt es keine.

 

Viele von Ihnen führen ein Haushaltsbuch. Einnahmen und Ausgaben werden gegeneinander aufgerechnet - am Ende muss es aufgehen. Wer haushaltet, hält sein Haus zusammen - im wahrsten Wortsinn.

Für Geheimnisse ist da nur schwer Platz, wenn jeder Posten erscheinen soll.

 

Und von unseren Haushaltern - den Politikern, den Banken, den Verantwortlichen insgesamt - ist Offenheit gefordert. Transparenz. Die Verwaltung von Geheimnissen kommt da nicht so gut an.

 

Dabei ist aber doch die Advents- und die Weihnachtszeit geradezu „die“ Zeit der Geheimnisse. Es geht los mit den kleinen harmlosen Geheimnissen. Den Wichtelgeschenken in der Schule, die heimlich zugelost und verteilt werden, damit der Schenker ja nicht erkannt wird. Den Weihnachtsgeschenken unter dem Baum - die heimlich besorgt und versteckt werden, damit niemand sie vor der Zeit findet.

Geheimnisse zu wahren und zum richtigen Moment zu lüften - das braucht also Zeit. Ungeduld hilft da nicht weiter. Denn wenn ein Geschenk versehentlich (oder auch absichtlich) zu früh gefunden wird, dann war‘s das mit der Freude. Die ist dann gründlich verdorben.

 

Normalerweise nehme ich mir auch diese Zeit: zum Aussuchen und Besorgen der Geschenke -  zum Einpacken und zum Auspacken. Zum langsamen Entdecken, was alles unter dem bunten Geschenkpapier verborgen ist. Und manchmal entdeckt man noch eine versteckte Kleinigkeit, verschüttet unter Verpackungsmüll.

 

Ich glaube, mit den Geheimnissen Gottes ist das auch so. Sie sind verborgen - im besten Fall unter Geschenkpapier, das wir selber nach und nach mit Freude auspacken, damit wir sie selbst entdecken können.

Aber viele sind auch zugeschüttet mit Bergen von Verpackungsmüll - den es eigentlich nicht braucht, der zwar oft hübsch anzusehen ist, aber doch den Blick vom eigentlichen ablenkt.

 

Bei vielem, was in der Kirche so verhandelt wird als Glaubensinhalte, ist das wohl auch so. Vor einiger Zeit erhielt ich ein Schreiben eines Gemeindemitglieds, das seinen Austritt aus der Kirche erklärte. Zur Begründung hieß es: „Sie als Kirche unterstützen die Trennung der  Gesellschaft, weil sie einfach mitmachen, nichts hinterfragen, im großen Strom mitschwimmen und Andersdenkende durchs Raster fallen lassen, sich wegducken und keine Kante zeigen.“

 

Was genau damit  gemeint ist, wird nicht gesagt.

Aber ich glaube, es geht genau darum: dass die Kirche die Geheimnisse Gottes, das Geheimnis des Glaubens zuschüttet unter einem Berg von zeitgeistlichen Aktionen und Stellungnahmen - und sich dabei keine Zeit mehr nimmt, das eigentliche Geschenk auszupacken.

 

Innerkirchlich verkünden wir nur noch Sparhaushalte und Stellenkürzungen, anstatt uns selbst an die Verkündung des Evangeliums zu verschwenden. Wir konsolidieren und konzentrieren, wo wir besser verteilen und aussenden sollten. Wir legen Gemeinden zu großen Kooperationsräumen zusammen, anstatt unsere Räume vor Ort mit Menschen und Leben zu füllen. Unser Maßstab sind nicht die Fragesteller und Antwortsucher, sondern die reinen Mitgliederzahlen.

Und nach außen - da rennen wir mal wieder dem Zeitgeist hinterher: evangelische Akademien gendern, was das Zeug hält. Wir predigen ethische Ansprüche anstelle des frei machenden Evangeliums. Wir reden nur noch von der Liebe Gottes, nicht mehr vom Leiden an unserer Welt. Und der eigentliche Kern unserer Botschaft liegt gut eingepukt in der Krippe und wird nur noch an Heilig Abend in der Harmlosigkeit des Festes der Liebe hervorgeholt.

Dabei bleibt das eigentliche Geheimnis unter all dem Müll gut gemeinter Verpackungen versteckt.

 

Denn dass  Gott Mensch wird, einfach so - ist so unerhört, dass es uns die Sprache verschlägt. Wie sollen wir im aufgeklärten 21. Jahrhundert davon reden, ohne in biologische Platitüden zu verfallen?

Natürlich steigt Gott Vater nicht wie einstmals der Göttervater Zeus vom Himmel und zeugt einen Halbgöttlichen Sohn.

Das wäre zu einfach - zu naiv und naturwissenschaftlich unfassbarer Unfug.

Deshalb trauen wir uns gar nicht mehr zu, davon zu reden - weil es nur reden im Geheimnis sein kann. Gott wird Mensch - und stellt damit alle menschlichen Maßstäbe auf den Kopf.

Gott wird Mensch - und begibt sich damit in menschliche Hände und Erzählungen.

Denn jetzt ist er abhängig von uns, von unseren Geschichten, unserer Verkündigung. Und von unserer Haushaltung. Davon, wie sparsam oder verschwenderisch wir mit unserem Glauben hausieren gehen. Ob wir Christus als Faktor in unserem Leben einbeziehen - oder ihn als Lametta-Christkind auf die Spitze unseres Weihnachtsbaums verbannen.

 

Wir sind Haushalter eines Geheimnisses, zu dem wir selbst keinen Schlüssel besitzen, außer wir leben es. Wir sind Wahrer eines Geheimnisses, das sich nur im Erzählen erklärt. Und Diener eines Gottes, der den Sinn seines Daseins im eigenen Dienst an uns versteht.

Dieses Geheimnis kann nicht von außen erklärt werden.

Wir müssen es leben, erzählen und lieben.

Müssen mit unserem Handeln, Denken und Glauben dafür einstehen, dass Blinde sehen und Lahme gehen und Gott als Mensch mitten im Leben sichtbar wird.

 

Dafür biete Kirche einen Raum - sowohl den, in dem wir hier gerade alle sitzen, als auch im übertragenen Sinn. Wir als Christen, wir als Gemeinde sind dieser Raum, in dem erzählt wird und erlebt und erfahren. Wenn nicht wir, wer dann?

Aber wir erzählen einander nichts mehr. Wir nehmen uns nicht mehr die Zeit, zu fragen, zuzuhören, zu erfahren.  Wir reißen die Verpackung auf - und wenn nicht das drin ist, was wir möchten, werfen wir Geschenk und Verpackung weg.

Und verlassen enttäuscht den Raum.

 

Aber das ist genauso falsch wie die Zahlenbesessenheit der Landeskirche. Denn Kirche, das ist nicht die Verwaltungsstelle in München oder Aschaffenburg. Das sind auch nicht die Oberkircheneräte und Entscheidungsgremien. Kirche, das sind wir. Sie und ich - und zwar gemeinsam. In allem, was wir tun, in jedem Raum, in dem wir uns aufhalten. Wir alle sind Haushalter - nicht die Verrechnungsstelle. Wir fragen gemeinsam, suchen miteinander nach Antworten und erzählen einander. Wir wachsen an Zahl und im Glauben durch einander.

Und wir warten gemeinsam, dass es sich lüftet, das Geheimnis unseres Glaubens.

Denn noch  ist es nicht zu seinem Ende gekommen. Wir warten noch darauf - das ist unser Advent, der über Weihnachten hinaus andauert.

Das Kind in der Krippe ist nur der Vorgeschmack. Bis dahin ist es unsere Aufgabe, Haushalter seiner Schöpfung zu sein.

Ganz egal, wie wir ihn verpacken. Ob mit Genderpapier, mit experimentellen Farben oder mit Landesstellenplanausdrucken: das ist unser Inhalt:

Uns denen zuzuwenden, die schwach sind, und Hilfe brauchen. Und uns nicht von denen abzuwenden, die Fragen stellen oder Zweifel haben.

Wir sind Diener Christi und Hüter seines Geheimnisses - wir erheben unsere Stimmen für die, die keine Worte finden und teilen mit denen, die selbst nichts zu geben haben. Wir nehmen uns Zeit für die, die gehetzt sind und richten auch die nicht, die sich selbst ein Urteil bilden.

 

Bis der Herr kommt und sein Licht alles ans Licht bringt. Dann ist wirklich Weihnachten - und Gott und Mensch sind vereint.

 

Amen.