Predigt zu Psalm 85
Wo Güte und Treue einander begegnen - und Gerechtigkeit und Friede einander küssen - da sieht die Welt so aus. (hält eine Statue hoch)
Beides ineinander verschlungen, keinen Blick mehr für das, was von außen stört.
Idylle und Selbstvergessenheit zugleich.
Ein schönes Bild.
Und schöne Worte.
Verführerische Worte.
Hoffnungssätze insgesamt:
Dass in unserem Lande Ehre wohne,
dass Güte und Treue einander begegnen,
Gerechtigkeit und Friede sich küssen,
dass Treue auf der Erde wachse
und Gerechtigkeit vom Himmel schaue
Worte im Psalm.
Worte im Gebet.
Worte an Gott - in der Hoffnung auf Antwort. Auf Beziehung. Darauf, dass etwas geschieht - mit uns. An uns. Zwischen uns.
Hoffnungssätze.
Auf Erlösung.
Auf Versöhnung.
Darauf, dass Gott seinen Zorn beiseite legt und die Welt wieder heil wird.
Dass alles wieder gut wird.
Aber es ist kein heile, heile Segen, nach dem wir rufen.
Sondern so einer (hält die Statue hoch). Segen, der Gott und Welt ineinander verschlingt. Den nichts mehr stört - nicht von außen, nicht von innen.
Nicht sein Zorn - nicht meine Gleichgültigkeit.
Das ist ein Segen, der mich fordert.
Der von mir fordert, dass ich den Zorn sehe - ihm Raum zugestehe.
Ein Segen, der von mir fordert, dass ich Gott in meinem Leben wirken lasse. Auch gegen mich.
Ein Segen, der nicht vom lieben Gott gegeben wird - sondern der mich umfassend liebt.
Und mit zumutet, dass Gott auch eine dunkle Seite hat. Eine, die mir verborgen bleibt.
Das Übel in der Welt ist keine Strafe Gottes.
Und seinen Zorn schließe ich gerne aus: „So ist Gott nicht - - Denn er ist der liebe, der alles vergibt.“
Aber ist Gott Herr der Welt - dann kommt alles von ihm. Ich nehme mein Leben aus seiner Hand - im Guten wie im Schlechten.
Und nehme ich ihm seinen Zorn - dann nehme ich auch seine Liebe. Und mit dem Zorn nehme ich ihm auch seine Vergebung weg.
Denn wenn er mir nicht mehr zürnt - was hat er mir dann noch zu vergeben?
Zorn und Vergebung sind Teile einer großen allumfassenden Liebe. Beides geschieht mit Leidenschaft und Zuwendung. Wo nichts davon mehr lebt, ist die Liebe am Ende, die Beziehung tot.
Also hoffe ich: dass ich Gott nicht aus meinem Leben verbanne.
Dass ich mutig bin, seine dunkle Seite zu ertragen - und auf sein Heil zu warten.
Darauf, dass in unserem Lande Ehre wohne,
dass Güte und Treue einander begegnen,
Gerechtigkeit und Friede sich küssen,
dass Treue auf der Erde wachse
und Gerechtigkeit vom Himmel schaue
Hoffnungssätze also -
Auf ein Wechselspiel zwischen Himmel und Erde - zwischen Mensch und Gott.
Gott und Mensch ineinander verschlungen. Eine Einheit, die nichts von außen stört.
Altes Paradies - oder neue Wirklichkeit?
Doch das Paradies ist ja verschlossen - und gut bewacht.
Jetzt muss das Himmlische auf der Erde gedeihen - solche Hoffnungssätze sind es.
Sätze mit Großen Worten.
Und groß geschrieben.
Substantive. Keine Verben.
Das fällt auf.
Gerechtigkeit. Güte. Friede. Und Treue.
Es scheint, sie stehen für sich. Und sind nichts, was getan werden kann. Nicht von uns. Nicht von mir.
Wir können sie nicht bestellen, nicht erzeugen. Nicht machen.
Es gibt sie - aber sie kommen uns zu. Und liegen nicht in unserer Macht.
Sie stehen uns zur Verfügung - aber wir verfügen nicht darüber.
Also nicht machbar - und damit auch nie Wirklichkeit? -
Dass Treue auf der Erde wachse und Gerechtigkeit vom Himmel schaue?
Aber wir tun doch - und machen. Und suchen nach Wegen zum Frieden, nach Verfahren für Gerechtigkeit. Wir laufen den schönen Worten hinterher, berauschen uns an ihrem Klang -
und vertrauen darauf, dass unser Bild vom Frieden das schönste ist, unsere Rede von Gerechtigkeit die einzig wahre. Wir hören uns zu - Uns selbst sind wir treu -
und vergessen dabei, dass der Treue das Hören vorausgeht:
Könnte ich doch hören, was Gott der Herr redet …
nämlich dass er Frieden zusagt seinem Volk.
Aber will ich von diesem Frieden hören? - der seine Feinde liebt? Denen Gutes tut, die nur auf Streit aus sind? Die segnet, von denen ich ständig nur böse Rede höre?
Wie du willst, dass dir die Leute tun, so tu ihnen auch.
Worte von Gott. Voller Hoffnung - dass ich mich selbst vergessen kann - um seines Friedens willen.
Machen kann ich das nicht.
Herstellen kann ich das nicht.
Hoffen kann ich - dass ich ihn höre. Mich vergesse.
Ihm vertraue.
Und mein Vertrauen wachsen kann.
Dass sie wahr werden, die großen Worte.
Dass Güte und Treue einander begegnen,
Gerechtigkeit und Friede sich küssen,
dass Treue auf der Erde wachse
und Gerechtigkeit vom Himmel schaue
Hoffnungssätze.
Dass sie sie sich erfülle, die verheißene Wirklichkeit -
Weil nichts an uns hängt - aber alles an ihm.
Hinge alles an uns, dann wäre es Gerechtigkeit von unser Gnaden und Friede unserer Torheit.
Unsere Gerechtigkeit aber ist eine, die allen das gleiche geben will - aber niemand das hat, was er braucht.
Unser Friede ist einer, bei dem sich Verlierer vor den Siegern beugen - aber Lamm und Löwe niemals beieinander liegen können.
Unsere Güte ist eine, die sich an den Gütern der Welt bemessen lässt - aber sich nicht umsonst verschenkt.
Unsere Treue ist eine, die auf sich selbst vertraut - und Gott nicht die Treue hält.
Ich hoffe, ich kann vertrauen,
Dass Güte und Treue einander begegnen,
Gerechtigkeit und Friede sich küssen,
dass Treue auf der Erde wachse
und Gerechtigkeit vom Himmel schaue
Ich hoffe, ich kann vertrauen - dass Gott nicht lieb ist.
Sich mir nicht unterwirft um meines Friedens willen.
Dass er nicht gekommen ist, meine Sehnsucht zu erfüllen.
Sondern mir hilft, mich selbst zu vergessen.
Ich hoffe, ich kann vertrauen,
dass sein Vertrauen in mir Wurzeln schlägt.
Und meine Treue in seiner wurzelt.
Und so vertraue ich, dass seine Treue und meine Hoffnung einander begegnen.
Und meine Hoffnung in seinen Worten Früchte trägt.
Amen.