Predigt zu Genesis 50, 15-21
(ich verteile Schokolade willkürlich an Godi-Besucher, einige bekommen etwas, andere etwas mehr, andere gar nichts - Reaktionen abwarten)
Mehr gibt’s nicht! Das wars!
Sie haben nichts bekommen?
Pech gehabt!
So habe ich das letzte Woche in der Schule gemacht. Nicht mit Schokolade, sondern mit zusätzlicher Pausenzeit.
Die Reaktionen der Schüler: Rumgemotze. Das ist doch total ungerecht!
Und recht haben die Kinder - oder?
Finden Sie meine Verteilung etwa gerecht?
Ich könnte mich jetzt hinstellen und altkluge Sprüche von mir geben wie z.B. „Das Leben ist eben ungerecht - und so lernt ihr was fürs Leben“ … oder so ähnlich.
Das wäre zwar richtig- aber trotzdem sehr unbefriedigend. Und ausgesprochen zynisch. Denn eben weil das Leben ungerecht ist, ist es umso wichtiger, dass wir da, wo wir es können, nicht selbst auch ungerecht werden.
In der Bibel geht es auch nicht immer gerecht zu. Da ist die Geschichte von Jakob und Esau z.B. - der jüngere Bruder, der sich den Erstgeborenensegen vom Vater erschleicht. Und die Geschichte von Josef und seinen Brüdern - Sie erinnern sich?
Josef, der Liebling des Vaters, der als einziger ein schönes neues und teures Gewand bekommt, während seine Brüder in die Röhre gucken?
Wenn wir ungerecht behandelt werden, hat das Konsequenzen. Unmittelbare für uns - aber auch längerfristige. Denn wir nehmen die Erfahrung mit, dass es gerade die sind, die nicht auf gerechte Verteilung wert legen, die für sich am meisten herausholen. Und passen uns ihnen an - schauen vor allem auf unseren Vorteil. Und die Spirale dreht sich weiter.
Für Josef hatte dieses eine Geschenk ungeahnte Folgen - es hat sozusagen sein Leben verändert. Hat den Brüdern ihre Eifersucht über den Kopf wachsen lassen. Hat Josef selbst zum Sklaven in fremdem Land gemacht. Hat Kummer und Leid in seine Familie getragen für viele Jahre - bis sich am Ende eine Zusammenführung und Versöhnung gefügt hat.
Doch als der Vater stirbt, werden die Karten noch einmal neu gemischt:
Text lesen
Der Tod bringt das Leben durcheinander - und die Familie noch einmal aus dem Tritt. Die angebliche Versöhnung erweist sich als brüchig, die gegenseitige Abneigung und Furcht ist langlebiger.
Der Grund für die Versöhnung ist tot - und die alten Wunden brechen wieder auf.
Zu lebhaft sind die Erinnerungen an widerfahrenes Unrecht.
Zu tief sitzen die Verletzungen.
Die Angst kehrt zurück.
Jakob spürt das - denn er hinterlässt seinen Kindern seinen letzten Wunsch nach Versöhnung, die trägt. Und sein Leben überdauert. Das ist das, was von ihm bleiben soll. Das ist sein Testament.
Wie ist das mit Ihnen? Haben Sie schon Ihr Testament gemacht?
Was soll von Ihrem Leben bleiben?
Wie wollen Sie in Erinnerung bleiben?
Als die Erbtante, die ihre Besitztümer gerecht aufteilt?
Als der Großvater, der allen Enkeln den gleichen Kontenwert hinterlässt?
Jakob geht es nicht um seinen Besitz.
Sein Leben soll sich nicht in Zank und Streit auflösen.
Nichts unter den Teppich kehren. Keine Geheimnisse, die das Erbe belasten. Keine Unaussprechlichkeiten, die das Klima vergiften.
Ihm geht es darum, die Macht der Erinnerung zu brechen. Und der Versöhnung, der gegenseitigen Vergebung Raum zu geben.
Dabei sieht er die Schuld alleine bei den Brüdern - nicht bei Josef.
Man könnte sich jetzt zurecht darüber streiten, ob das so stimmt.
Ich finde ja, dass Josef mindestens genauso eine Teilschuld an seinem Schicksal trägt, wie seine Brüder - genauso wie Jakob selbst.
Denn hätte der seinen Liebling nicht so maßlos verwöhnt, seine Liebe nicht so einseitig spüren lassen - dann hätten seine anderen Söhne nicht fürchten müssen, ihn zu verlieren.
Und wäre Josef nicht so unglaublich eingebildet, selbstverliebt und von sich überzeugt gewesen - dann hätten ihm seine Brüder auch ihre Liebe geschenkt, anstatt ihm die des Vaters zu missgönnen.
Aber Jakob geht es nicht um gegenseitige Schuldzuweisungen. Nicht die sollen sein Vermächtnis sein. Sondern die Versöhnung. Keine Vorwürfe - sondern die Annahme der Vergangenheit mit all ihren Makeln, Fehlern und dunklen Punkten.
Damit eine gemeinsame Zukunft möglich ist.
Die nämlich wünscht er seinen Kindern. Das ist sein Erbe.
Und das sollte auch unser Erbe sein.
Nicht stecken bleiben in altem Streit.
Nicht beharren auf dem eigenen Recht.
Und nicht festhalten an der eigenen Unnachgiebigkeit.
Denn wenn Gott es gedachte, gut zu machen - wie können wir uns dem versperren?
Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft - bewahre unsere Herzen und Sinne zur Vergebung in Christus Jesus.
Amen.