Predigt zu Trinitatis
Liebe Gemeinde,
22 Und der Herr redete mit Mose und sprach:
23 Sage Aaron und seinen Söhnen und sprich: So sollt ihr sagen zu den Israeliten, wenn ihr sie segnet:
24 Der Herr segne dich und behüte dich;
25 der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig;
26 der Herr hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.
27 So sollen sie meinen Namen auf die Israeliten legen, dass ich sie segne
Soweit der Predigttext - aber wie weit reicht der schon?
Viele würden sagen: von diesem Segen spüren wir gerade recht wenig - global gesehen.
Stattdessen sind die Nachrichten voll von mächtigen alten Männern.
Je stärker die Krise zuschlägt, desto mehr sind sie damit beschäftigt, ihre Macht zu demonstrieren, zu polieren und zu behalten.
Trump in USA - Bolsenaro in Brasilien - Orban in Ungarn - Sie teilen aus - Chaos und Zerstörung, damit sie weiter herrschen können.
Ihre Stärke liegt einzig in ihrer äußerlichen Macht.
Und die bröckelt gerade - denn die Menschen in der Krise wollen keine Macht - sie wollen Stärke. Wahre Stärke, die sie hindurchführt durch all das Leiden und den Schmerz. Innere Stärke, die hilft, mit der eigenen Schwäche zu leben, die Ungewissheiten zu ertragen und trotz der Angst um das tägliche Brot und Leben den Kopf nicht zu verlieren.
Ist das mit Gott nicht ganz genauso? Oder zumindest doch sehr ähnlich?
Auch seine Macht bröckelt - denn der mächtige Gott, der allgewaltige Schöpfer, der Kriegsgott des Volkes Israel, der rächende Zerstörer des ägyptischen Heeres und der gewaltige Wunderhafte - ist das nicht genau der Gott, an den wir nicht mehr glauben?
Und den doch manche gerade jetzt gerne wieder hätten?
Damit er unsere Welt mal wieder ein bisschen in Ordnung bringt - und vielleicht sogar noch einmal eine Welt aus dem Chaos erschafft - genau wie am Anfang, als die Erde wüst und leer war und sein Geist über den Wassern schwebte?
Aber Gott ist nicht mehr der einsame Schöpfer, der Leben schafft, damit er nicht alleine leben muss. Der den Menschen leben lässt, damit er ihm gleich sei. Und damit schon einen ganz erheblichen Teil seiner Macht abgibt - an sein Ebenbild?
Gott hat sich verändert im Laufe unseres Lebens. In den Zeitaltern unserer Erde.
Seine bedenkenlose Machtausübung reut ihn immer öfter - die Geschichten des Alten Testamenst sind voll davon. Seinen Werken der Zerstörung folgen Treuegelöbnis und rettende Bewahrung - versprochen und besiegelt für alle Zeiten.
Ich glaube, Gott hat sich verändert, weil er liebt. Er liebt das, was er geschaffen hat - und das, was wir lieben, zerstören wir nicht. Es bringt uns vielleicht manchmal zur Weißglut - aber am Ende bleiben wir verbunden - zu gemeinsamem Leben.
Gott liebt also - und er ist Vater geworden. Vater eines Sohnes und aller seiner Menschenkinder.
Und damit ist er verletzbar, verwundbar - wie wir.
Wir Eltern lieben unsere Kinder. Denn sie sind ein Teil von uns.
Gott liebt seine Welt - wir sind ein Teil von ihm. Und er liebt uns so sehr, dass er sich selbst vor Liebe vergisst - und zum Menschen wird. Er gibt all seine Macht auf, um genauso ohnmächtig sein zu können wie wir. Um mit uns auf gleicher Stufe zu stehen.
Gott gibt sich selbst auf, um Mensch zu sein. Um zu werden wie sein Ebenbild.
Aber dabei bleibt er sich doch selbst treu, bleibt sich selbst verbunden. Sein Geist, der zu Beginn noch über den Chaoswassern schwebt, verbindet ihn mit sich selbst. Und gibt dem Menschen göttliche Kraft. Denn auch als Mensch ist die Liebe zu uns das, was sein Handeln und Leben bestimmt. Auch als Mensch will er nicht alleine leben - sondern mit und für uns.
Und seine Kraft reicht nicht nur zum Leben mit uns - sondern sogar zum Sterben für uns.
Zum Leben in Kontakt mit uns - nicht mit göttlichem Sicherheitsabstand.
Das ist seine wahre Macht - und aus der gewinnt er seine wahre Stärke, die uns allen zugute kommt.
Denn er behält sie nicht eifersüchtig für sich, diese Kraft. Er teilt sie aus an uns - an Pfingsten. Er bläst uns an mit seinem Lebenshauch - lässt seine Kraft wie einen frischen Wind durch unser Leben fegen.
Und erweckt uns damit zu neuem Leben als seine Gemeinschaft.
Sein Geist ist die Liebe, die uns mit ihm und miteinander verbindet.
Die Kraft seines Geistes ist das, was uns die Kraft gibt, füreinander da zu sein. In Kontakt zu treten - und einander als Ebenbilder Gottes zu begegnen. Den Sicherheitsabstand nur äußerlich zu wahren, aber nicht im Inneren. Nicht in der eigentlichen Begegnung.
In aller Hilflosigkeit gegenüber den Geschehnissen des Lebens, bei aller Ohnmacht gegenüber den Mächten dieser Welt - diese Kraft der Liebe ist unsere Stärke.
Und in dieser Stärke liegt unsere Macht - nämlich sie auszuteilen, diese Liebe. Sie weiterzugeben und sie wie einen frischen Windhauch durch unser Leben fegen zu lassen.
Dafür brauchen wir kein Militär und keine Gummigeschosse. Wir müssen keine Kritik unterdrücken oder für Lobhudelei bezahlen.
Wir können teilen - ohne Angst und ganz freigiebig - denn je mehr wir diese Liebe teilen, desto mehr beherrscht sie unser Leben.
Und wir sind gesegnet durch Gott, den Vater, den Sohn und dein Heiligen Geist.
Versprochen und besiegelt für alle Zeiten.
Amen