Predigt zu Jes 66, 10-14, Lätare
Heute ist Lätare. Das kleine Ostern mitten in der Passionszeit.
Die kleine Freude mitten im Leid. Lätare heißt: Freue dich!
Also, liebe Gemeinde - freuen wir uns!
Liebe Gemeinde?
Ja, auch wenn wir nicht miteinander in der Kirche sitzen, sind wir doch eine Gemeinde. Nicht im selben Raum, nicht in direktem Kontakt. Aber miteinander verbunden.
Im Moment online. Gemeinsam.
Erinnern Sie sich noch an die Zeit des Verbindungskabels? Das entweder zu kurz war oder in unentwirrbarer Salatform hinter dem Rechner versteckt wurde? Ohne Kabel ging nichts, kein Strom, kein Internet - keine Verbindung ohne Kabel.
Dann kam das W-Lan - die kabellose Verbindung. Ungewohnt. Am Anfang höchst skeptisch betrachtet. Störanfällig bis heute. Aber doch unglaublich praktisch. Egal, wo ich bin - ich bin mittendrin.
Ich fühle mich im Moment ein bisschen wie ein kabelloser Rechner am Beginn seines Lebens: verwirrt durch die neue Art der Verbindung - und zugleich befreit durch ungeahnte neue Möglichkeiten. Ich vermisse das Alte - den spürbaren körperlichen Kontakt. Das Reden face to face. Aber ich experimentiere auch, probiere Sachen aus, für die ich vorher entweder keine Zeit hatte oder zu denen ich keine Notwendigkeit sah.
Und ich stelle fest: es funktioniert. Es ist anders als vorher. Es ist störanfällig. Es ist sicherlich kein vollwertiger Ersatz. Aber es ist eine Alternative, die auch trägt.
Mit der wir einander wahrnehmen und miteinander verbunden sind. Online.
Online for God, sozusagen - so heißt übrigens auch unser W-Lan im Pfarrbüro…
Und ich stelle fest: mitten in all den Störungen, der Unsicherheit und aller Ungewissheit - mitten in Trübsal und trotz aller bösen Zeit - ich freue mich. Freue mich an dem Neuen, das aufblüht und zu wachsen beginnt. Freue mich, dass ich mit so vielen gemeinsam meine Traurigkeit überwinden und Trost finden kann.
Ich freue mich, dass die Freude so unvermittelt aufbricht - gegen alle Widrigkeiten. Gegen die Zeitläufe.
Freue mich, dass mir das Lachen nicht immer im Hals stecken bleibt, sondern auch nach außen drängt:
Beim einsamen Spaziergang mit dem Hund am Main. Beim Einatmen des ersten Frühlingsduftes der frühen Blüten. Beim freundlichen Gruß über die Straße hinweg. Mit jedem warmen Sonnenstrahl auf der Haut wird sie ein bisschen stärker. Mit jedem freundschaftlichen Telefonat ein bisschen größer.
Sie lässt sich nicht unterdrücken.
Sie bricht auf, blüht und leuchtet über meinem Tag - um dann leise im Dunkel der Nacht zu verklingen. Und auch am nächsten Morgen noch, bei neuem Sonnenschein, nach zu schwingen; ein Trost in trostloser Zeit.
Und jetzt bin ich auch bereit für den Predigttext an diesem Sonntag Lätare:
Freuet euch mit Jerusalem und seid fröhlich über die Stadt, alle, die ihr sie lieb habt! Freuet euch mit ihr, alle, die ihr über sie traurig gewesen seid.
Denn nun dürft ihr saugen und euch satt trinken an den Brüsten ihres Trostes; denn nun dürft ihr reichlich trinken und euch erfreuen an ihrer vollen Mutterbrust.
Denn so spricht der Herr: Siehe, ich breite aus bei ihr den Frieden wie einen Strom und den Reichtum der Völker wie einen überströmenden Bach. Da werdet ihr saugen, auf dem Arm wird man euch tragen und auf den Knien euch liebkosen.
Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet; ja, ihr sollt an Jerusalem getröstet werden.
Ihr werdet's sehen und euer Herz wird sich freuen, und euer Gebein soll grünen wie Gras. Dann wird man erkennen die Hand des Herrn an seinen Knechten und den Zorn an seinen Feinden. (Jesaja 66, 10-14)
Jetzt bin ich bereit für die Freude.
Jetzt bin ich bereit für Ostern.
Amen.