Predigt zu Joh 15, 1-8 (Jubilate 20)
Jubilate! Jubelt!
Der ganze Tag heute steht unter diesem Motto:
Jubelt! Jubilate!
Der klassische Sonntag für „Jubelkonfirmationen“. 25, 50, 60, 65 - vereinzelt sogar 70 Jahre. Lebenszeit nach der eigenen Konfirmation.
Jahre voller Freude, voller Jubel - und voller Trauer. Voller Leid. Beides gehört zum Leben, beides füllt unsere Zeit.
Dieses Jahr leider nicht. Dieses Jahr fällt der Jubel aus.
Dieses Jahr haben wir keinen Grund zur Freude.
Oder vielleicht doch?
https://www.youtube.com/watch?v=lBAmcJBMJK0
Das Leben ist ernst, im Moment. Wir sind ernst.
Wir sitzen an unseren Plätzen und konzentrieren uns darauf, unsere Pflicht zu tun. Verantwortung zu zeigen, Abstand zu halten, einander nicht zu sehen. Die Gedanken an das Andere, die Besuche, die Gemeinschaft, das miteinander Lachen - schieben wir weg. Es stört die Konzentration auf das Wesentliche.
Wie die Studenten in diesem Video. Ernsthaft, pflichtbewusst, konzentriert.
Aber was ist das Wesentliche im Leben?
Im Video ist das ganz klar - das Wesentliche unterbricht den Alltag. Die Konzentration weicht dem Zuhören, dem gegenseitigen Wahrnehmen. Die Gesichter leuchten auf, Freude macht sich breit. Ungläubiges Staunen, zunächst verhalten, bis es sich am Ende im Beifall sammelt.
Ein Moment von Jubel - bricht ein in das Leben. Unverhofft, unerwartet.
Und wirbelt uns durcheinander.
Wir leben zwischen Ostern und Pfingsten - zwischen dem neuen Leben und dem Aufbruch.
Mit Blick auf die Zukunft - aber noch gefangen im alten Geist.
Von Furcht und Besorgnis, konzentriert auf Durchhalteparolen. Der Jubel für das Leben lässt auf sich warten. Die Freiheit zu lachen müssen wir uns noch erkämpfen. Freude ist ein Kraftakt, der noch keine Frucht bringt. Noch.
Aber manche Worte bringen den Jubel einfach mit sich. Er überfällt mich, bricht ein in meinen Alltag, meinen Sonntag:
Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater der Weingärtner. Eine jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, nimmt er weg; und eine jede, die Frucht bringt, reinigt er, dass sie mehr Frucht bringe. Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe. Bleibt in mir und ich in euch. Wie die Rebe keine Frucht bringen kann aus sich selbst, wenn sie nicht am Weinstock bleibt, so auch ihr nicht, wenn ihr nicht an mir bleibt. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun. Wer nicht in mir bleibt, der wird weggeworfen wie eine Rebe und verdorrt, und man sammelt die Reben und wirft sie ins Feuer, und sie verbrennen. Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch widerfahren. Darin wird mein Vater verherrlicht, dass ihr viel Frucht bringt und werdet meine Jünger. (Johannes 15, 1-8)
Ungläubiges Staunen macht sich in mir breit. So einfach ist das!
Das alte Wort Gottes treibt junge kraftvolle Triebe. Ich bin nicht der Weinstock. Ich wurzele nicht selbst in tiefem Grund. Ich bin nur eine Rebe - wie ist das wunderbar. Denn alle Kraft des Weinstocks, alle seine Wurzeln, alles, was ihn hält und stärkt und lebendig macht - all das hält auch mich. Ich hänge an ihm und alle meine Lebenskraft kommt von ihm.
Oft suche ich die Kraft zum Leben in mir. In der Begegnung mit mir selbst, meiner Vergangenheit, meinen Wünschen, Ängsten und Hoffnungen.
Das ist wichtig und richtig - aber nicht genug. Denn in mir sind lange Schatten, die sich oft dunkel und schwer über mein Leben breiten. Da ist es schnell zu Ende mit der Kraft.
Ich genüge nicht. Das spüre ich immer, wenn ich Kraft schöpfe - sie kommt nicht aus mir. Sondern aus dem, woraus ich schöpfe. Aus den Liedern, die ich höre. Aus den Worten, die ich lese. Aus den Bildern, die ich sehe. Aus den Menschen, denen ich begegne. All das sind meine Kraftfelder der Freude und des Lichts.
Die Hoffnung, mit der ich meine Zukunft träume, ist nicht meine Hoffnung, sondern lebt aus der Hoffnung, die der Geist zu den Jüngern bringt.
Die Liebe zur Freiheit schöpft sich nicht aus meinem Glauben, sondern daraus, dass Gott an die Freiheit seiner Menschen glaubt. Der Mut, gegen den Strom zu schwimmen, wächst nicht aus mir heraus. Er kommt vom Mut Jesu zum Kreuz.
Mein Kraftwerk ist der Glauben daran, dass ich nur eine kleine Rebe am Weinstock Christi bin. Die ihren Saft, ihre Lebenskraft nicht aus sich selbst heraus ziehen muss. Sondern die von den Wurzeln des Weinstocks genährt wird.
Ich hänge mit jeder Faser meines Lebens am Kraftwerk Gottes.
Wenn das kein Grund zur Freude ist.
Jubilate!
Amen.