Ostersonntag - 12. April

Und als der Sabbat vergangen war, kauften Maria Magdalena und Maria, die Mutter des Jakobus und Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen und ihn zu salben.

Und sie kamen zum Grab am ersten Tag der Woche, sehr früh, als die Sonne aufging. Und sie sprachen untereinander: „Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür?“

Und sie sahen hin und wurden gewahr, dass der Stein weggewälzt war, denn er war sehr groß.

Und sie gingen hinein in das Grab und sahen einen Jüngling zur rechten Hand sitzen, der hatte ein langes weißes Gewand an, und sie entsetzten sich.

Er aber sprach zu ihnen: „Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hinlegten. Geht aber hin und sagt seinen Jüngern und Petrus, dass er vor euch hingeht nach Galiläa; da werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat.“

Und sie gingen hinaus und flohen von dem Grab, denn Zittern und Entsetzen hatte sie ergriffen. Und sie sagten niemandem etwas, denn sie fürchteten sich.

 

„Der Herr ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden, halleluja!“

So grüßen wir Christen uns an diesem Ostermorgen. Zuversichtlich, freudig. Voller Hoffnung.

„Der Herr ist auferstanden!“ - der erste Zuruf. Und die Antwort: „Er ist wahrhaftig auferstanden, halleluja!“ Die gesammelte Osterfreude in zwei Sätzen.

 

Die drei Frauen am ersten Ostermorgen waren meilenweit von solcher Freude entfernt. Trauer war das, was ihr Herz bewegte - und Unsicherheit beherrschte ihre Gedanken.

Trauer um die Freude und die Hoffnung, die mit Jesus gestorben sind. Trauer um den Verlust an erfahrener und verheißener Lebensfreude, die mit ihm in ihr Leben kam - und mit ihm wieder darauf verschwunden ist.

Trauer um den Verstorbenen - der noch nicht einmal ordentlich begraben worden war. Nur hineingelegt, notdürftig eingewickelt ins Leichentuch. Weder gewaschen noch gesalbt. Die Umstände hatten das nicht erlaubt.

Aber so können sie nicht Abschied nehmen. Ein Zeichen ihrer Liebe möchten Sie dem Toten aus dem Leben noch mitgeben. Teure Salben, kostbare Öle. Ein letzter Liebesdienst an der verlorenen Liebe, ein letztes Lebenszeichen im Tod.

Und Unsicherheit, die sie auf dem Weg dahin begleitet. „Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür?“ Es ist fast so, als käme ihnen dieser Gedanke jetzt zum ersten Mal. Wer entfernt uns das Hindernis, das uns am Abschiednehmen hindert?

Auch heute sind viele Marias und Salomes zu unseren Gräbern unterwegs. Zu ihren Lieben, die sie verloren haben. Notdürftig beigesetzt, höchstens im engsten Familienkreis. Niemand kennt den Ort, keiner die Stunde - die Umstände erlauben es nicht anders.

Die Trauer lebt; und sie wird nicht aufgefangen. Kein tröstender Blick, keine wärmende Umarmung. Die Umstände erlauben es nicht anders. Vor der Rückkehr ins Leben ist der große Stein der Unsicherheit: Wann werden wir gemeinsam trauern dürfen? Wann können wir uns endlich in unserer Trauer begegnen, uns aneinander festhalten? Miteinander vom Verstorbenen erzählen, uns einander erinnern - und gemeinsam ins Leben zurückkehren?

Dieser Stein ist noch da - für uns hat ihn noch niemand weggewälzt.

 

Anders ist es bei den dreien: Ihr Hindernis ist beseitigt - aber ihre Unsicherheit dadurch nur vergrößert. Schlägt um in blankes Entsetzen.

„Er ist auferstanden. Er ist nicht hier.“

Was Freude auslösen soll, endet in Furcht. Die Botschaft der Auferstehung wird gehört - aber sie dringt nicht durch. Die Trauer ihres Karfreitags dauert noch an.

Stattdessen: sie sagten niemandem etwas, denn sie fürchteten sich.

 

Mit solchen Erfahrungen im Hintergrund - wie sollen wir da Ostern feiern? Und aus vollem Herzen einander freudig die Auferstehung zugrüßen?

 

Bleiben wir also stumm? Lassen Ostern dieses Jahr ausfallen, weil die Auferstehung nicht durch unseren Lockdown hindurch dringt - und bleiben in der Furcht stecken, verharren im Schweigen des Todes? Damit dieser das letzte Wort habe?

Machen wir es also wie die drei Frauen am Grab?

 

Ich finde, das sollten wir  tatsächlich tun - denn die drei haben ja nicht geschwiegen. Nicht für immer. Sie haben offensichtlich ihre Furcht und ihr Schweigen überwunden, sonst wüssten wir von nichts. Sie haben erzählt: von ihrer Angst, ihrem Entsetzen - und dem leeren Grab. Von Tod und Sterben und Einsamkeit - und von Trost und Auferstehung und neuem Leben.

Sie haben das Unglaubliche geglaubt - obwohl sich an den äußeren Umständen nichts geändert hat. Obwohl ihr Leben noch so war wie vor dem Blick ins leere Grab.

Sie haben das Unfassbare erfasst und weitergegeben. Obwohl die Hoffnung auf dem Tiefpunkt angelangt und die Zuversicht auf Besserung mit Jesus gestorben war.

Das Grab war leer - das Hindernis beseitigt.

 

Auferstehung heißt nicht: alles ändert sich plötzlich. Aber sie lässt erfahren: Alles ist anders. Ich bin anders. Denn ich sehe das Leben anders.

Äußerlich bleibt alles, wie es war - auch ich. Die Toten werden nicht plötzlich lebendig und stehen aus dem Grab auf. Ich werde nicht plötzlich gesund, nicht jünger und auch hübscher, nicht klüger oder reicher.

Aber innerlich - da ist alles anders. Denn jetzt bin ich frei, das Unglaubliche zu glauben. Frei, nach dem Unfassbaren zu greifen - und es weiterzugeben. Frei, meine Trauer und Angst loszulassen und die Hoffnungszeichen in meinem Leben zu sehen.

Frei, gegen alle Wahrscheinlichkeit zu glauben.

 

Tina Willms hat das in einem wunderbaren Gedicht so ausgedrückt:

Gestern noch

schienen doch

alle Wege verschlossen,

die Nacht zog

den Vorhang zu.

Ende der Vorstellung.

 

Heute aber stehen die Tore

sperrangelweit offen:

Hereinspaziert,

hier wartet das Leben!

 

Keiner weiß,

wie es geschah.

 

Keiner weiß, wie es geschah - aber es ist geschehen. Unerklärlich, aber spürbar. Unfassbar, aber wahr: „Der Herr ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden, halleluja!“

 

Amen.

 

https://www.youtube.com/watch?v=mFfSRKGSPVM

Christ ist erstanden von der Marter alle;

des solln wir alle froh sein,

Christ will unser Trost sein. Kyrieeleis.

 

Wär er nicht erstanden, so wär die Welt vergangen;

seit dass er erstanden ist,

so loben wir den Vater Jesu Christ. Kyrieeleis.

 

Halleluja, halleluja, halleluja!

Des solln wir alle froh sein,

Christ will unser Trost sein. Kyrieeleis.