Judika - 3. April 2022

Predigt zu Mk 10, 35-45

Heute sind viele Eltern unter uns. Mal alle die Hände hoch, die Kinder haben.

Dann kennen Sie auch das Mama-Mantra? „Alles nur eine Phase“?!

Besonders hiflreich, wenn ich mit Engelsgeduld die Küchenschublade zum 10mal am selben Vormittag wieder einräume, die der hoffnungsvolle Nachwuchs mit großem Eifer immer wieder ausräumt.

Ohne dieses Mantra hätte ich früher manchmal nicht gewusst, wie ich über den Tag komme. Es wird etwas besser, je älter die Kinder sind - aber so ganz ist es noch nicht verschwunden.

Eines der hartnäckigsten Überbleibsel ist die ewige Wiederholung des Gleichen:

Räum dein Zimmer auf.

Spül dein schmutziges Geschirr weg.

Räum deinen Ranzen aus dem Weg.

Komm nicht zu spät nach Hause.

Ruf an, wenn du angekommen bist …

Ich bin sicher, Sie können diese Liste noch gut ergänzen.

Erziehung lebt ja angeblich von Wiederholung - und eigenes Lernen auch.

Manchmal aber, da klappt das offenbar nicht so ganz - oder es dauert unendlich lange, bis man etwas begreift.

Paradebeispiel dafür sind die Jünger im Markusevangelium.

Es ist kurz vor Ostern. Sie sind auf dem Weg nach Jerusalem, um dort das jährliche Passa-Fest zu feiern. Auf dem  Weg dahin versucht ihr Anführer ihnen zu erklären, was auf ihn und damit auch auf sie zukommt. Trotz aller Vorfreude auf das Fest steht ihnen allen eine Leidenszeit bevor. Verhaftung - Verurteilung - Hinrichtung für ihn. Angst und Leid und Todesfurcht für sie.

Die Vorbereitung darauf - innerlich und äußerlich - ist Jesus so wichtig, dass er dreimal darauf hinweist.

Drei Leidensankündigungen - und drei verschiedene Reaktionen:

Das erste Mal fängt er an, sie zu lehren: Der Menschensohn muss viel leiden und verworfen werden und getötet werden und nach drei Tagen auferstehen.

Trotzdem aber schweigt er nicht. Sondern redet das Wort frei und offen. Lässt sich nicht zum Schweigen bringen.

Petrus macht ihm das zum Vorwurf, ermahnt ihn zur Vorsicht. Will das Leiden, den Tod verhindern. Und versteht nicht, dass er damit auch das Heil, das Leben nach dem Leiden verhindert.

Auch beim zweiten Mal lehrte Jesus seine Jünger und sprach zu ihnen: Der Menschensohn wird den Menschen ausgeliefert und sie werden ihn töten, doch nach drei Tagen wird er auferstehen.

Die Jünger verstehens immer noch nicht - zumindest nicht richtig.

Sie akzeptieren offenbar, dass Jesus sterben wird. Und verhandeln auf dem Weg miteinander, wer von ihnen der Größte sei. Der sozusagen bei ihnen seinen Platz einnehmen könnte.

Auf dem Weg ins Leid streiten sie sich wie die kleinen Kinder. Anstatt das Leid zu erkennen und zu teilen. Trost zu geben.

Anstatt da zu sein, flüchten sie sich in menschliche Nichtigkeiten.

Und verpassen das, was Jesus sagt: Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein. Wahre Größe vor Gott ist nicht menschliches Ansehen, sondern das Tun seines Willens: Wer einen Schwachen und Verachteten um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf - wer aber mich aufnimmt, der nimmt nicht nur mich auf, sondern den, der mich gesandt hat.

Und jetzt schließlich kurz vor dem Fest: die dritte Leidensankündigung: Sie werden mich zum Tode verurteilen. Sie werden mich verspotten, anspucken, geißeln und töten.

Aber nach drei Tagen werde ich auferstehen.

Wir kennen Reaktionen auf eine solche Ankündigung. Wir haben es selbst erlebt in den letzten Tagen und Wochen. Entsetzen. Der Wunsch, das Unvorstellbare aufzuhalten, auf den letzten Drücker den Ernstfall zu verhindern. Wenigstens die schlimmsten Auswüchse zu bekämpfen. Mit den Angreifern reden, gemeinsam nach Lösungen suchen. Opfer vermeiden. Jeder Tote durch Gewalt ist einer zu viel. Jedes Leid durch Gewalt ist unnötiges Leid.

Der Wunsch nach einem Ende des Sterbens ist übermächtig.

Und doch reagieren wir nicht immer richtig. Auch wenn wir manchmal aus Fehlern lernen. So wie auch die Brüder Jakobus und Johannes aus ihren Fehlern gelernt haben.

Es gibt keinen Rangstreit mehr unter ihnen. Nein - sie möchten beide gleichberechtigt neben ihrem Anführer sitzen und herrschen in seinem Reich: einer von ihnen rechts, der andere links von Jesus.

Aber bitte erst von Jesus dem Auferstandenen.

Das Leiden, das Morden vorher - blenden sie einfach aus.

Wie sieht Europa nach dem Krieg aus? Wer wird welches Gebiet besitzen? Wie werden die neuen Machtverhältnisse sein? Das Sterben und Töten vorher blenden wir einfach aus.

Das Mama-Mantra funktioniert nicht mehr. Sie werden es nie lernen - höchstens auf die harte Tour. Also keine diplomatische Schönwetterankündigung mehr - sondern Sturmwarnung in allen Einzelheiten:

Könnt ihr den Kelch  trinken, aus dem auch ich trinke?

Hättet ihr die Kraft, unseren Kampf hier zu kämpfen - Aug in Auge mit den Panzern des Feindes? Einschlag um Einschlag standzuhalten in den Kellern eurer Häuser?

Es folgen vollmundige Beteuerungen der eigenen Leidens- und Verzichtbereitschaft:

JA, wie können es.

Wir frieren für den Frieden - wir frieren für die Freiheit.

Wir können beistehen im Leiden, da sein im Sterben.

Doch die Antwort ist ernüchternd: Plustert euch nicht so auf. Macht euch nicht so wichtig. Was ihr könnt, entscheiden nicht eure Parolen - sondern eure Handlungen.

Wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein; und wer unter euch der Erste sein will, der soll euer aller Knecht sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele.

Macht euch nicht so wichtig.

Lasst eure aufgeplusterten Parolen bleiben.

Wichtig ist nicht der, der vollmundig verspricht - sondern der, der selbstverständlich handelt. Der hilft. Der verzichtet. Der auf die anderen achtet. Sie wahrnimmt, ihre Bedürfnisse vor die eigenen stellt.

Wichtig ist vielleicht sogar nur der, der die anderen wichtiger nimmt als sich selbst.

Wer im Sinn von Jesus leben will, darf nicht nur reden - sondern muss zupacken. Anpacken.

Sich nicht mit Versprechen aufhalten, sondern selbst tun.

Das ist manchmal nicht so einfach.

Waffen liefern? Oder doch lieber nur humantäre Hilfe?

Das sind keine Kleinigkeiten, über die mal eben so am Stammtisch entschieden wird.

Wir können nicht immer alles tun.

Müssen uns einig sein, was das Richtige ist. Was wir schaffen und verantworten können.

Welche großen Schritte wir gehen möchten - und wohin sie uns führen.

Ob in den Tod - oder zu neuem Leben.

Aber manchmal ist es auch Zeit, einander zu sagen:

Red net so viel - machs doch einfach.

Wie Sie als Eltern, wenn Sie ihre Kinder taufen lassen.

Ihnen und der Welt zeigen, dass sie Gottes Kinder sind.

Und der Menschensohn ist gekommen, dass er ihnen diene und sein Leben für sie gebe, dass sie neues Leben haben.

Dieses Mantra können wir gar nicht oft genug wiederholen.

Amen.